Nach turbulenter Zeit in München ging es wieder zurück nach Österreich. Wir machten gerade Station in Salzburg, wo uns Norbert wieder verließ. Er hat sich entschlossen, wieder in sein Dorf zurückzukehren und sich dem Tribunal der Jungen Frauen zu stellen. Nachdem wir ihm zu seiner mutigen Entscheidung gratuliert hatten, bedankte er sich bei uns mit breitem Grinsen und meinte, es würde uns jetzt leichter fallen, ein Quartier zu nehmen. Da entgegnete Wolfgang lachend, du brauchst dir auf die Probleme, die du uns bereitet hast, nichts einzubilden. Franzi, eigentlich der große Schweiger, meinte freundlich, schau, dass du weiter kommst.
Die Abreibung, die er von den jungen Frauen erhalten würde, vergönnten wir ihm.
Einige Tage später, zeitig in der Frühe, standen Peter, Wolfgangs Partner, und Mario, der sich bei Peter in Wien gemeldet hat, plötzlich bei uns im Zimmer. Die Überraschung war groß – monatelang hatten wir nichts von ihm gehört. Wo zum Teufel warst du? Mario, fragte ich. Ein riesiger Schock für uns, als wir erfuhren, dass er in einer Klinik wegen Suizidversuch war. Christine war nicht der Grund, beteuerte er sofort. Warum dann? Wir konnten uns beim besten Willen nicht vorstellen, was ihn sonst dazu getrieben hat. Er war eigentlich wie immer, mit seiner Gitarre, die er umgehängt hatte.
Mario sah uns der Reihe nach an. Bei Franzi, der ihm freundlich zunickte, zuckte ein kaum merkliches Lächeln über sein Gesicht. Bei mir blieb sein Blick hängen. Und dann sah er Wolfgang an, nicht mit der üblichen Schelmerei, sondern mit einer bitteren Ernsthaftigkeit.
„Ich war weg“, sagte er leise. Er machte eine Pause, die so schwer war, dass man sie fast greifen konnte. „Ich war dabei, mich umzubringen.“
Die Luft in dem kleinen, spartanischen Zimmer stand still. Mir wurde kalt. Ich wollte etwas sagen, aber mir fehlten die Worte.
In den nächsten Stunden erfuhren wir, es war nicht sein erster Versuch, es war immer mit Alkohol.
Er setzte sich schwerfällig auf das Bett. Der Alkohol war der Auslöser. Es ist passiert, als ich betrunken war, weil ich dann immer depressiv werde. Uns war nie aufgefallen, dass Mario je Alkohol getrunken hätte. Ich trinke normalerweise keinen Alkohol. Aber manchmal überkommt mich der Drang, etwas zu trinken, das hat dann oft fatale Folgen.
„Aber ich verspreche euch“, sagte er schließlich mit fester Stimme und sah uns dabei nacheinander an, nie wieder. Kein Alkohol mehr. Das war der letzte Schritt, den ich gehen musste, um das wirklich zu verstehen.
Wolfgang nickte nur und sagte pragmatisch: Gut. Das hier ist dein Bett. Pack deine Sachen aus, wir haben viel zu tun.
Mario sagte uns immer wieder, er würde keinen Alkohol mehr anrühren, ich sagte ihm, ich glaube an dich, aber du musst an dir selbst arbeiten. Und das tat er. Das ging sogar so weit, dass er vor dem Essen vom Servicepersonal die Garantie haben wollte, dass da ja kein Alkohol drinnen war. Das sorgte oft für irritierte Blicke. Die verschwanden, als er erklärte, er müsse Medikamente nehmen, die sich so überhaupt nicht mit Alkohol vertragen. Wenn er auch nur einen Tropfen zu sich nimmt, würde es richtiggehend rund in ihm gehen, wie er das sagte und sich dabei den Bauch hielt, da musste das Personal lachen. Das klappte immer.
Wir hatten stets ein Auge auf ihn gehabt. Es war schwierig, weil, wenn Mario nicht bei uns war, wir uns sofort um ihn sorgten. Er bemerkte es und sagte, vertraut mir, ich habe alles im Griff. Nahm seine Gitarre und klimperte drauflos, er verarschte sich selbst, als er sang: Ach Mario, kauf mir ein Mascherl, schöne Schuhe an Taft und a Tascherl.
Er war noch immer derselbe Spaßvogel, den wir liebten und der uns zum Lachen brachte.
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